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 Theorie und Praxis
Autor: Reinhard (---.utaonline.at)
Datum:   06.08.04 08:55

Ich wende mich hier nicht mit einem Hilfeersuchen an die anderen, sondern mit einem Diskussionsbeitrag, immerhin ist das hier ein Diskussionsforum.

Vor wenigen Wochen wurde ich, vom LG bestätigt, zu einer Geldstrafe verurteilt, da mir auf einem Schutzweg eine Fußgeherin ins Auto gelaufen ist. Die tut mir zwar nicht besonders weh, als Jus-Student stellen sich mir allerdings ein paar Fragen:

Ich habe auf der Uni gelernt:

§90a StPO - Vorgehen mittels Diversion u.a. wenn kein schweres Verschulden vorliegt

Ich habe in der Praxis gesehen:

Ich wurde trotzdem verurteilt, da mir eine Reaktionsverspätung von 1,85 Sekunden angelastet wurde...und das ein schweres Verschulden sei...jetzt frage ich mich, ob es wirklich ein schweres Verschulden ist, wenn man mal nicht einmal 2 Sekunden lang abgelenkt ist. An diesem Tag war Schneelage, die Bodenmarkierung also aus der Entfernung nicht zu erkennen und das Hinweiszeichen steht so schlecht, dass man es leicht übersehen kann. Ich hatte also faktisch keine Möglichkeit, mich schon von weitem auf Fußgeher auf der Fahrbahn einzustellen. Ausserdem wurde angeführt, dass keine Wiedergutmachung erfolgt sei...allein, das liegt nicht in meinen Händen. Ich habe den Fall sofort der Versicherung gemeldet, und bin laut Versicherungsvertrag ja garnicht berechtigt, Wiedergutmachung zu leisten ohne meinen Versicherungsschutz zu verlieren...und wie lang die Versicherung braucht ist ja ihre Sache. Zudem ist ja durch die Haftpflichtversicherung sicher gestellt, dass Wiedergutmachung erfolgen wird!

ausserdem hab ich auf der Uni gelernt:

§ 6 Abs 1 StGB - Fahrlässig handelt, wer die Sorgfalt ausser acht lässt, [...] die ihm zuzumuten ist...

...und in der Praxis gesehen:

Ich wurde trotzdem verurteilt...da offenbar einem Autofahrer zuzumuten ist, jede einzelne Sekunde jeden einzelnen Punkt der Straße im Auge zu behalten. Es mag zwar kühn sein, in meinem Fall die Tatbestandsmäßigkeit anzugreifen, ich tue es aber trotzdem, da ich einfach der Meinung bin, dass auch der berühmte "sorgfältige mit den Werten der Rechtsordnung verbundene Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters" irgendwann einmal für 1,85 Sekunden auf ein ausparkendes Auto schauen kann.

und dann habe ich auch noch auf der Uni gelernt:

§ 43 Abs. 1 StGB - Das Gericht HAT u.a. eine Geldstrafe nachzusehen, wenn nicht General- oder Spezialprävention verlangen, dass die Strafe kassiert wird.

...und in der Praxis gesehen.

Ich muss trotzdem zahlen. Ich wurde wegen eines FAHRLÄSSIGKEITSDELIKTS verurteilt, daher KANN doch, da kein Vorsatz dahin steht, die Vollstreckung der Strafe weder mich noch irgendjemand anderen davon abhalten, solche Straftaten zu begehen. Ich fahre täglich mit dem Auto und bin stets bemüht, niemand über den Haufen zu fahren, und das völlig unabhängig davon, ob ich dafür Strafe zahlen muss oder nicht. Allein um keinen anderen Menschen oder mich selbst (!) zu verletzen, verhält man sich so sorgfältig wie man kann. Und das wird wohl für jeden Autofahrer gelten. Passiert das dann trotzdem - Pech gehabt. Auf der Straße ist es nun mal gefährlich, ist zwar tragisch, nur lassen sich Unfälle leider nie vermeiden.

Es ist mir völlig uneinsichtig, warum ich täglich in der Zeitung lese, dass Leute wegen Vorsatzdelikten (Diebstahl, Körperverletzung..) zu bedingten Strafen verurteilt werden, ich aber wegen eines Fahrlässigkeitsdeliktes eine unbedingte Strafe ausfasse. Wo bleibt da die Verhältnismäßigkeit?? Oder dass Ladendiebe mit Diversion davonkommen...Vorsatz ist also offenbar weniger schweres Verschulden als Fahrlässigkeit?! Zumal ich ja schon um 3 Stufen in der KFZ-Versicherung steige, und mich das somit ohnehin genug Geld kostet, ich also nicht "ungestraft" bliebe.

LG
Reinhard

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